Döbereiner, Wolfgang: Seminarbände der 90er Jahre

Besonders die Seminarbände:

Döbereiner, Wolfgang: Das Gleichnis des Elefanten (Band 1, 1990)
Döbereiner, Wolfgang: Die Weigerung des Christopherus (Band 4, 1991)
Döbereiner, Wolfgang: Die Wege des Ortlosen (Band 6, 1992)
Döbereiner, Wolfgang: Geflechte und Zeichen (Band 7, 1994)
Döbereiner, Wolfgang: Modelle des Gegenwartslosen (Band 9, 1994)
Döbereiner, Wolfgang: Kollektive des Ungeschehenen (Band 12, 1997)

fand ich hilfreich und eine Zeit lang auch inspirierend (das letzt genannte allerdings deutlich weniger). Sie sind eine gute Antithese zum Etablierten, zu allem, was von Staats wegen geregelt wird und einen unfrei macht. Döbereiner ist ein Pool für alle, die anders sind, die nicht dazu gehören oder dies zumindest von sich denken.

Allerdings - andere würden ihn ohnehin nicht lesen oder gut finden. Die, welche individuelle Entwicklung, das persönliche Sein, das Nichtgreifbare und Ungeregelte, sondern Gewachsene und vom Schicksal Geformte leben und bejahen brauchen aber nicht mehr diese lang ausgeführten Zugeständnisse bzw. Hasstiraden gegen das, was sie ja genauso verabscheuen. Es ist nichts Neues für sie. Und so kommt  es, dass Döbereiner einen Verein Gleichgesinnter unterhält, die sich immer nur selber bestätigen. Das nenne ich Schattenboxerei.

Ich habe früher diese Bücher mit Begeisterung gelesen, jedenfalls mit einem Gefühl, eine Nische gefunden zu haben, in die ich mich zurückziehen kann. Das klingt jetzt alles noch nicht nach Astrologielektüre. Weltanschauung und astrologische Technik sind hier teilweise untrennbar miteinander verflochten. Nach intensiverer Lektüre über Jahre habe ich gemerkt, dass ich mit anderen Astrologen, "Nicht-Döbereinerianern", nicht reden kann, überhaupt es mir schwer fällt, mich für eine Welt und Menschen zu interessieren und auszutauschen, die nicht im Döbereiner-System denkt. Bei seinen Seminaren war ich befremdet, dass alle an seinen Lippen hängen und in den gleichen Worthülsen und Phrasen reden wie er und Versuche von Kritik wie Blasphemie behandelt wurden. Das Ganze hat etwas extrem Sektiererisches. Das liegt nicht nur daran, dass sich Döbereiner zum Guru erhebt und seine Quellen verschweigt und damit seine Schüler in einer Uneigenständigkeit hält.

Es hat bei mir Jahre gedauert, eigene Formulierungen zu finden, das Erfahrene in Zusammenhang mit anderen Schulen und Quellen zu bringen - denn natürlich befindet sich auch Herr Döbereiner in einem Traditionskontext - um aus einem Deutungssystem herauszufinden, das unteilbar mit einer einseitig negativen Weltsicht verschmolzen ist.

Döbereiner, der einen Pluto am Aszendenten hat, sagte wörtlich: „ich werde Sie zwingen, diese Wahrheiten in sich aufzunehmen“. Dabei wurde er rot und haute mit der Faust auf den Tisch.

Ich kann die Seminarbände, die ich gut finde und sinnreich deswegen nur bedingt empfehlen. Wir finden dort sehr gute Konstellationsbeschreibungen, Gruppenschicksalspunktbeschreibungen, Deutungsansätze und tiefenpsychologische Bezüge. Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist jedoch, in ein negatives Weltbild eines sehr kleinen und ausschließlichen Gedankengebäudes einzutauchen und uns auf diese Enge einlassen zu müssen.

Ich finde, dass Döbereiner mit all seiner Gesellschaftskritik recht hat. Ich finde, mehr Menschen sollten das so klar sagen wie er. Es ist grauenhaft, dass wir immer mehr in einer völlig funktionalisierten Plastikgesellschaft von Meinungsleitschienen, Vorgaben und Normen leben, die echte Entwicklung und Individualität unterdrückt. Aber diese Sicht beschreibt nur die Antithese. Sie beschreibt nur die Verteidigung des Krebs-Prinzips und des Neptun-Prinzips, manchmal noch des Saturn-Prinzips. Es dämonisiert zu einseitig das Merkur-Prinzip und auch das Venusische, und es verschweigt das Sonnenhaft-Lebendige. Die hier propagierten Sichweisen befinden sich in einer Sackgasse, die sich selbst genügt.

Außerhalb dieser Sackgasse ist nicht alles umgeben von Feinden, wie es Döbereiner befürchtet. Außerhalb dieser Sackgasse befindet sich neben der funktionalistischen Plastikgesellschaft auch die Synthese, die Synthese aus Integration und Individualismus oder aus Logos und Mythos, welche allen 12 Prinzipien ein Recht und einen Sinn zugesteht.